Schadensberechnung bei Teilabbruch einer gefestigten Geschäftsbeziehung (rupture partielle)
Schadensersatzansprüche wegen des plötzlichen Abbruchs einer bestehenden Geschäftsbeziehung („rupture brutale de relation commerciale établie“) beschäftigen häufig die französischen Gerichte. Wurde eine Geschäftsbeziehung nicht vollständig, sondern nur teilweise beendet („rupture partielle“), stellen sich bei der Bestimmung der Schadenshöhe mitunter komplexe Fragen. Mit seinem Urteil vom 29. Januar 2025 (Wipelec gegen Exxelia, Az. 23-19.972) hat der Kassationsgerichtshof eine wichtige Klarstellung zur Schadensberechnung bei teilweiser Auflösung einer Geschäftsbeziehung vorgenommen.
Nach Art. L.442-1 Abs. II des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der eine gefestigte Geschäftsbeziehung ganz oder teilweise abbricht, ohne dies dem Geschäftspartner mit angemessener Vorankündigungsfrist schriftlich angezeigt zu haben (rupture brutale d‘une relation commerciale établie). Ersatzfähig ist aber nur der Schaden, der durch das Fehlen einer angemessenen Auslauffrist entstanden ist, nicht der Verlust künftiger Geschäftsaussichten.
Merkblatt: Beendigung der Zusammenarbeit mit französischen Geschäftspartnern
Der teilweise Abbruch einer gefestigten Geschäftsbeziehung ist nach der Rechtsprechung dadurch gekennzeichnet, dass die Geschäftsbeziehung als solche zwar weiterbesteht, aber ohne ausreichende Vorankündigung entweder ihr Umfang erheblich reduziert wird oder eine erhebliche einseitige Verschlechterung der Geschäftsbedingungen vorgenommen wird.
Im entschiedenen Fall hatte die Firma Wipelec die Firma Exxelia seit mehreren Jahren mit elektronischen Bauteilen beliefert. Ab Mitte 2018 stellte Wipelec einen erheblichen Rückgang der Bestellungen von Exxelia fest, ohne dass dies rechtzeitig schriftlich angekündigt worden wäre. Sie verklagte Exxelia daher auf Ersatz des Schadens, der ihr durch den Rückgang der Bestellungen entstanden war.
In zweiter Instanz verurteilte das Berufungsgericht Paris Exxelia zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 52.464 €. Zwar hatte es die entgangene Bruttomarge für den Zeitraum der fehlenden Kündigungsfrist (in diesem Fall sechs Monate) auf 91.566 € beziffert, von diesem Betrag jedoch diejenigen Gewinne abgezogen hatte, die Wipelec mit späteren Bestellungen nach Ablauf der Mindestkündigungsfrist noch erzielt hatte. Wipelec hielt diese Schadensberechnung für rechtsfehlerhaft und legte gegen das Urteil Revisionsklage ein.
Der Kassationsgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts mit der Begründung auf, ersatzfähig sei die durch den teilweisen Abbruch der Geschäftsbeziehung entgangene Bruttomarge, die während der nicht gewährten Mindestkündigungsfrist hätte erzielt werden können. Nach Ablauf der Mindestkündigungsfrist mit weiteren Aufträgen desselben Geschäftspartners erzielte Gewinne dürften dabei nicht schadensmindernd berücksichtigt werden. Unter Anwendung dieser Grundsätze bezifferte das Gericht den ersatzfähigen Schaden auf knapp 80.000 Euro.Dem Urteil vom 29. Januar 2025 ist im Ergebnis zuzustimmen. Zweck der Haftung wegen „rupture brutale“ ist es, den Geschäftspartner für den Zeitraum einer angemessenen Mindestkündigungsfrist vor einer erheblichen Reduzierung oder gar einer Einstellung des Geschäftsumfangs zu schützen. Umstände, die nach dem Ablauf dieser Mindestkündigungsfrist eintreten, können weder schadensmindernd (wie im hier kommentierten Fall) noch schadenserhöhend berücksichtigt werden (vgl. hierzu unsere Meldung zum Urteil vom 19. März 2025, Az. 23-23.507).
Praxistipp
Reagieren Sie rechtzeitig, wenn sich abzeichnet, dass Sie gegenüber einem französischen Kunden oder Lieferanten den bisherigen Geschäftsumfang oder die bisherigen Geschäftskonditionen nicht aufrechterhalten können. Um in solchen Fällen das Risiko von Schadensersatzansprüchen zu verringern, sollten Sie die bevorstehenden Änderungen möglichst frühzeitig schriftlich ankündigen. Die einzuhaltende Mindestfrist hängt dabei maßgeblich von der Gesamtdauer der bisherigen Geschäftsbeziehung, aber auch von weiteren Umständen des Einzelfalls ab.
Gerne beraten wir Sie zum Thema rupture brutale.
09.05.2025